Neben der Waidmannssprache, dem Hubertustag und dem Jagdgericht gibt es noch zahlreiche andere jagdliche Bräuche, die den Außenstehenden seltsam vorkommen können. Die Jagdbräuche weichen innerhalb von Deutschland regional in einigen Details ab.

Das Brauchtum ändert sich auch und passt sich der Zeit an. Wurde ich früher belächelt, wenn ich als Schütze an einer Gesellschaftsjagd teilnahm und neben dem Signalband am Hut zusätzlich eine Warnweste trug, so ist heute die Warnweste Pflicht und die Treibjagden sehen aus wie ein Ausflug der Rettungssanitäter. Das traditionelle Grün weicht den Signalfarben. Wobei die Farbe Grün auch noch nicht lange mit der Jagd verbunden wird. Früher waren Grau und Schwarz bei der Jagd vorherrschend.

Ich beschreibe nachfolgend Brauchtum, wie es in meinem Umfeld gepflegt wird. Was daran falsch und richtig ist, vermag ich nicht einzuschätzen. Wichtig ist nur, dass das Brauchtum gepflegt und erhalten bleibt.

Nachdem ein Stück Wild erlegt ist, tritt der Jäger an das Stück heran. Juristisch wird aus dem herrenlosen Stück Wild nun Eigentum des Jagdausübungsberechtigten (Pächter oder Eigenjäger). Aus dem Wild wird nach dem Schuss ein Lebensmittel. Falls das Stück nicht sofort abtransportiert werden kann, legt der Jäger einen Inbesitznahmebruch auf das erlegte Stück. Das bedeutet, es ist mein Stück.

Ein Bruch ist ein Zweig. Vorgeschrieben Baumsorten sind: Keifer, Fichte, Eiche, Erle oder Buche. Sind diese Baumsorten nicht vorhanden, dann muss man nehmen was die Natur bietet. Der Jäger nimmt den Hut vor dem erlegten Stück ab und verneigt sich. Handelt es sich um ein weibliches Stück dann zeigt das Laub in Richtung Haupt (Kopf). Bei männlichen Stücken zeigt der Ast in Richtung Haupt.

Anmerkung 1) Der Jagdhut spielt bei der Jagd eine wichtige Rolle. In meiner Umgebung wird peinlich darauf geachtet, dass man als Jäger eine Kopfbedeckung trägt. Wer ohne Hut zur Jagd erscheint, kommt vor das Jagdgericht. Was ein Jäger dann aber auf den Kopf hat, ist egal. Es gibt klassische Jagdhüte, die vor allem von den alten Jägern getragen werden. Die Mode und der amerikanische Einfluss hat auch das Basekap waidfähig gemacht. Im Winter sehe ich Pelz- und Pudelmützen. Es muss zur Jagd also kein klassischer Jagdhut mehr sein, außer bei Beerdigungen oder festlichen Anlässen.

Nach dem Erlegen wird das Stück versorgt, d.h. es wird zu einem Aufbruchplatz geschafft. Die Innereien werden entfernt. Der Wildkörper wird gelüftet, damit nicht das Fleisch durch die Körperwärme verdirbt.

Nachdem das Stück versorgt ist, legt der Jäger das Stück auf die rechte Körperseite und packt wieder den Inbesitznahmebruch auf das Stück. Bei männlichen Stücken kommt zusätzlich noch ein Zweig in den Äser, den so genannten „letzten Bissen“. Das Stück soll ohne je wieder zu hungern in die ewigen Jagdgründe gehen.

Ich habe mal das Kopfschütteln ausländischer Jagdgäste darüber erlebt, warum wir deutschen Jäger noch unbedingt einen toten Rehbock füttern wollten.

Sind mehrere Stücken erlegt und ist die Jagdgesellschaft größer, dann wird ein Gatter eingerichtet, d.h. Zweige werden am Boden im Viereck zu einer Begrenzung gelegt. An einer Stelle ist die Begrenzung offen. Nur dort darf man das Gatter betreten. Wer über die Tannenzweige oder die erlegten Stücken geht, wird vom Jagdgericht bestraft. Die Stücken werden rangmäßig sortiert im Gatter abgelegt.

Es wird auf Jagdhörnern das Musikstück „Sammeln der Jäger“ geblasen.

Die Jagdhelfer treten links von den Jägern, die Hornbläser gegenüber den Jägern und der Jagdleiter und seine Adjutanten rechts von den Jägern an. In der Mitte liegt die Strecke.

Die Jäger müssen mit Waffe antreten. Früher gab es wohl noch keine Autos, in denen die Waffen nach der Jagd abgelegt werden konnten. Heute ist es verboten, Waffen im Auto aufzubewahren. Daher sollten die Jäger mit Waffe antreten – selbstverständlich unter Beachtung der Sicherheitsvorschriften: Kipplaufwaffen gebrochen und Karabiner mit geöffneter Kammer. Munition darf sich natürlich auch nicht in der Waffe befinden.

Dann wird die Strecke ausgewertet. Der Jagdleiter streift dann die Brüche am Schweiß des erlegten Stückes, d.h. er macht die Zweige leicht blutig. Dann ruft er die Schützen nach vorn und überreicht den Schützen den Schützenbruch. Dazu nimmt der Jagdleiter seinen Hut mit der linken Hand ab, legt den Schützenbruch auf den Hut und wünscht dem Schützen „Waidmannsheil“. Der Schütze nimmt gleichzeitig seinen Hut mit der linken Hand ab und übernimmt den Schützenbruch mit dem Wort „Waidmannsdank“. Dann steckt sich der Schütze den Bruch an die rechte Hutseite. War ein Hund an der Nachsuche beteiligt, bekommt der Hund auch einen Zweig an das Halsband.

Anmerkung 2) Bei Beerdigungen von Jägern trägt die waidmännische Trauergemeinde den Bruch auf der linken Hutseite. Am offenen Grabe nimmt dann der waidmännische Trauergast den Hut ab und wirft den Bruch ins Grab. Eine Jagdhornbläsergruppe spielt am Grab „Jagd vorbei“. Der Spruch an die Jagdhornbläser kommt bei jeder Beerdigung: Spielt bloß nicht „Sau tot“, wobei es auch Waidgenossen gibt, die sich wünschen, dass am Grabe alle Wildarten verblasen werden, die sie je gestreckt haben. Eine Tradition bei Jägerbeerdigungen ist, dass die Jäger in Absprache mit den Angehörigen Aufgaben des Bestattungsinstitutes übernehmen, indem sie den Sarg aus der Trauerhalle zur Grabstelle tragen und den Sarg herablassen.

Anmerkung 3) Es kommt auch regional vor, dass der Jagdleiter den Schützenbruch auf einem Jagdmesser überreicht. Diese Variante kommt in meinem Umfeld eher selten vor, da kaum noch jemand ein großes breites Jagdmesser mitführt.

Nachdem die Schützen den Schützenbruch erhalten haben, wird die Strecke verblasen. Für jede erlegte Wildart wird ein Jagdsignal gespielt. Die ganze Zeremonie ist feierlich und soll an der getöteten Mitgeschöpfe gedenken.

Nach dem Verblasen der Strecke gibt es meist noch organisatorische Fragen, bzw. das Jagdgericht und dann wird zum Schüsseltreiben oder Halali – Jagd vorbei geblasen.

Das Schüsseltreiben ist ein gemeinsamer Imbiss im Revier. Hier kann es von der Erbsensuppe, Bockwurst, Grillwürste, Schmalzstullen und Kuchen kulinarisch alles geben, was einfach anzurichten ist.

Die alten Jäger berichten von den Zeiten, als die Stücken dann noch in jagdlicher Tradition „totgesoffen“ wurden.

Solche Alkoholexzesse auf der Jagd sind mir nicht mehr bekannt geworden. Das liegt daran, dass die Anforderungen an die Zuverlässigkeit durch die Waffengesetzgebung gestiegen sind und Jäger häufig auf den Führerschein angewiesen sind. Jeder Jäger der seinen Jagd- und Führerschein behalten will, sollte bei der Jagd nüchtern bleiben. Als Jagdleiter schließe ich sofort Teilnehmer von der Jagd aus, die unter Alkohol stehen.

Nach der Jagd, wenn die Waffen und Fahrzeuge in Sicherheit sind, kann angestoßen und gefeiert werden. Generell gilt, dass ein Jäger nicht „Prost“ sagt, sondern „Waidmannsheil“ oder „Horrido“. Fallen diese beiden Worte muss auf jeden Fall mit der linken Hand getrunken werden, sonst kommt man vors Jagdgericht oder muss eine Runde ausgeben.